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Hausdurchsuchung wegen Beleidigung?

Dogukan Isik

Als Strafverteidiger aus Hannover verfolge ich natürlich Strafprozesse, die viel Aufmerksamkeit in den Medien erregen und öffentliche Diskussionen auslösen. In diesem Blogbeitrag geht es um einen aktuellen Fall, bei dem ein Meme, das den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als "Schwachkopf" bezeichnete, zu einer Hausdurchsuchung führte. Ich beleuchte die strafrechtliche Relevanz der Beleidigung nach den §§ 185 und 188 StGB sowie den schwerwiegenderen Vorwurf der Volksverhetzung nach § 130 StGB, der mit einem weiteren Post in Verbindung steht. Zudem werde ich die Frage der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung, die durch Habecks Strafantrag ausgelöst wurde, aufwerfen.


Was ist passiert?

Es wurde die Wohnung eines Mannes durchsucht, der angeblich ein beleidigendes Meme veröffentlicht hat. Besonders brisant: Die "Schwachkopf"-Beleidigung richtet sich gegen den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Im Sommer tauchte auf X (ehemals Twitter) ein Meme auf, das Habeck als "Schwachkopf" bezeichnete. Laut der Staatsanwaltschaft Bamberg soll ein 64-Jähriger aus dem Landkreis Haßberge dafür verantwortlich sein. Im Rahmen der Ermittlungen wurde seine Wohnung durchsucht und ein Tablet beschlagnahmt. Den Strafantrag stellte Habeck persönlich. Medien berichteten bereits zuvor über die Durchsuchung. Zu Beginn hieß es, das Ermittlungsverfahren werde wegen Volksverhetzung geführt, jedoch bestätigte das Gericht im Zusammenhang mit dem Meme nur den Tatbestand der Beleidigung einer Person des politischen Lebens nach §§ 185, 188 StGB. Dass Habeck persönlich den Strafantrag gestellt hatte, wurde zunächst nicht erwähnt. Die Staatsanwaltschaft nahm anschließend öffentlich Stellung zu dem Fall. In einer Mitteilung bestätigte sie sowohl die Durchsuchung am Dienstag als auch Habecks Strafantrag. Das "Schwachkopf"-Meme falle unter die §§ 185, 188 StGB. Der Vorwurf der Volksverhetzung nach § 130 StGB beziehe sich hingegen auf einen zweiten Sachverhalt.



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Exkurs § 185 StGB-die Beleidigung im Strafrecht

Eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB meint die Kundgabe eigener Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung durch ehrrührige Tatsachenbehauptungen oder ein ehrverletzendes Werturteil gegenüber dem Betroffenen. Was genau unter Ehre zu verstehen ist, wird durch das Gesetz nicht näher bestimmt. Als Maßstab dient daher die Sicht eines objektiven Dritten als fiktiven Erklärungsempfänger. Das bedeutet, dass es darauf ankommt, ob eine beliebige außenstehende Person die Äußerung oder Handlung als ehrverletzend empfinden würde.

Unter Kundgabe versteht man eine schriftliche, mündliche oder durch Gesten vermittelte Äußerung gegenüber einer anderen Person, die diese wahrgenommen haben muss. Insofern muss die Kundgabe nicht zwingend mündlich erfolgen, sondern auch nonverbal, z.B. symbolisch oder bildlich. Dazu zählen das Zeigen des Mittelfingers oder das Tippen an die Stirn. Die Beleidigung kann zudem auch in tätlicher Form erfolgen, beispielsweise wenn jemand eine andere Person anspuckt, schubst oder ohrfeigt. Eine Ausnahme von der Kundgabe ist jedoch im engsten Familienkreis zu machen, soweit es sich um vertrauliche Mitteilungen über nicht anwesende Dritte handelt. Hier wird eine beleidigungsfreie Intimsphäre angenommen, weil vor allem im engsten Familienkreis emotionale Gespräche schnell zu verbalen Attacken umschlagen können. Der Täter soll insofern dann ausnahmsweise nicht strafbar sein, wenn er mit Diskretion rechnen durfte.


Beleidigt werden kann jeder Mensch, unabhängig von Alter, Reife oder geistigem Zustand. Auch eine Personenmehrheit ist im Sinne des § 185 StGB beleidigungsfähig, wenn sie eine rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllt und einen einheitlichen Willen bilden kann, z.B. politische Parteien, die Bundeswehr oder Banken.

Komplizierter gestaltet sich die Situation, wenn eine Einzelperson unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt wird. In diesem Fall muss sich der betroffene Personenkreis deutlich aus der Allgemeinheit abheben und bestimmbar sein, da ansonsten die Äußerung zu allgemein gefasst ist und es ihr somit an der konkreten Betroffenheit einer einzelnen Person fehlt. Dies kann je nach Einzelfall anders sein, weshalb die jeweiligen Umstände maßgeblich sind.Welche Äußerung oder Handlung eine strafbare Beleidigung darstellt, lässt sich damit nicht pauschal beantworten. Bei der Auslegung, ob etwas ehrverletzend ist oder nicht, ist regelmäßig auch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG oder die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG zu beachten. Durch diese Grundrechte muss eine eingeschränkte, grundrechtskonforme Auslegung erfolgen.


Gibt es eine Politiker-Beleidigung?

Dem 64-jährigen Mann wird vorgeworfen, auf X eine Bilddatei hochgeladen zu haben, die ein Porträtfoto von Habeck zeigte. Darunter war der Text "Schwachkopf PROFESSIONAL" zu lesen, eine Anspielung auf die Haarstyling-Marke "Schwarzkopf Professionell", deren Schriftart auch im Meme verwendet wurde. Als Anwalt aus Hannover lässt sich sagen, dass dies durchaus als einfache Beleidigung gewertet werden kann, die gemäß § 194 StGB nur auf Antrag verfolgt werden kann.

Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Bamberg sehen in diesem Fall zudem eine Beleidigung einer „im politischen Leben des Volkes stehenden Person“ nach § 188 StGB. Dieser Qualifikationstatbestand wurde erst 2021 eingeführt, und wenn er erfüllt ist, erhöht sich die Höchststrafe von einem auf drei Jahre Freiheitsstrafe. Dass Habeck als Wirtschaftsminister eine solche Person des politischen Lebens darstellt, ist unstrittig. Allerdings sind zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen: Die Beleidigung muss öffentlich und aus Beweggründen begangen worden sein, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen. Diese Bedingungen dürften hier zweifelsfrei erfüllt sein.

Die Tat muss jedoch auch in der Lage sein, das „öffentliche Wirken“ der beleidigten Person „erheblich zu erschweren“. Es lässt sich zumindest bezweifeln, ob dies bei einem solchen Bild tatsächlich zutrifft. Das Amtsgericht Bamberg machte in seinem Durchsuchungsbeschluss keine weiteren Ausführungen dazu. Falls die Voraussetzungen des § 188 StGB erfüllt wären, könnte theoretisch auf einen Strafantrag verzichtet werden, was für einen Strafverteidiger von Bedeutung ist. In diesem Fall wären für die Strafverfolgung keine zusätzlichen Anforderungen mehr erforderlich.


Vorwurf der Volksverhetzung 

Der 64-Jährige sieht sich laut Staatsanwaltschaft noch einem weiteren Vorwurf ausgesetzt: Im Frühjahr 2024 soll er auf X eine Bilddatei hochgeladen haben, auf der ein „SS- oder SA-Mann“ mit einem Plakat abgebildet ist. Auf diesem Plakat steht die Aufschrift „Deutsche kauft nicht bei Juden“, ergänzt durch den Zusatz „Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!“.

Aus der Perspektive eines Anwalts lässt sich der Vorwurf der Volksverhetzung im vorliegenden Fall differenziert betrachten. Laut Staatsanwaltschaft erfüllt der Post den Tatbestand der Volksverhetzung, ohne jedoch die genaue Variante des § 130 StGB zu benennen. Es könnte sowohl ein Aufstacheln zum Hass gegen Juden in Deutschland (Abs. 1 Nr. 1) als auch eine Billigung oder Verherrlichung der NS-Willkürherrschaft (Abs. 4) vorliegen. Der Kontext der Äußerung ist jedoch entscheidend. Sollte man, wie teilweise berichtet, annehmen, dass der Mann mit der Aussage „hatten wir alles schon mal“ einen Boykott-Aufruf kommentierte, könnte dies eher als eine Warnung vor den Zuständen im Nationalsozialismus verstanden werden, anstatt als antisemitische Hetze. Dies wäre ein historisch problematischer Bezug, jedoch keine direkte strafbare Handlung im Sinne des § 130 StGB. Als Strafverteidiger wäre es wichtig, diesen Kontext zu berücksichtigen und die Intention des Beschuldigten in der Verteidigung herauszustellen. Ein differenzierter Blick auf den Sachverhalt und die juristische Bewertung könnte dazu führen, dass eine Strafverfolgung möglicherweise nicht gerechtfertigt ist.

Die Bamberger Staatsanwaltschaft teilte mit, dass die Durchsuchung im Zusammenhang mit einem bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Netz durchgeführt wurde. Allerdings, so die Staatsanwaltschaft in einer Mitteilung, war dieser zweite, angeblich antisemitische Fall nicht der Grund für die Hausdurchsuchung. Im veröffentlichten Durchsuchungsbeschluss wird jedoch nichts in dieser Hinsicht erwähnt.


Exkurs § 130 StGB

Als erfahrener Anwalt für Strafrecht, habe schon einige Mandanten mit dem Vorwurf der Volksverhetzung vertreten. Volksverhetzung tritt vor allem dann auf, wenn jemand öffentlich zu Gewalt, Hass und Willkür aufruft und dadurch den öffentlichen Frieden stört. Solche Aufrufe richten sich oft gegen nationale, rassische, religiöse oder ethnisch definierte Gruppe. Typische Beispiele für solche Aufrufe sind bestimmte Parolen, Flugblätter und ähnliches, in denen explizit zu Handlungen oder Unterlassungen aufgefordert wird, die Gewalt und Willkür beinhalten. Diese Aufforderungen sind in der Regel an spezifische Empfänger gerichtet und können Hetzjagden, Appelle zum Verlassen des Landes oder die Ausschließung bestimmter Personengruppen von Veranstaltungen umfassen. Ebenfalls unter Volksverhetzung fällt es, wenn jemand die Menschenwürde einer anderen Person angreift, indem er bestimmte Gruppen beschimpft, verleumdet oder verächtlich macht. Im § 130 Absatz 3 des Strafgesetzbuches wird darüber hinaus das Billigen, Leugnen oder Verharmlosen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß § 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches besonders geahndet. Dies umfasst in Deutschland unter anderem die Verharmlosung des Holocausts oder die Leugnung desselben


Hausdurchsuchung wegen einer Beleidigung noch verhältnismäßig?

Diskussionen über die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung kamen auf, da viele das „Schwachkopf“-Meme für zu harmlos halten, um einen derartigen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung zu rechtfertigen. Die §§ 102 ff. der Strafprozessordnung sehen jedoch keine Einschränkung der Hausdurchsuchung auf mittelschwere oder schwere Kriminalität vor. Tatbestandlich reicht bereits ein Anfangsverdacht wegen einer geringfügigen Straftat aus. Allerdings gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei staatlichen Maßnahmen grundsätzlich immer. Ob dieser hier ausreichend beachtet wurde, ist fraglich und lässt sich nur anhand genauer Aktenkenntnis beurteilen. Als erfahrener Strafverteidiger habe ich zumindest noch keine Erfahrung mit Hausdurchsuchungen gemacht, die einzig und allein wegen einer Beleidigung durchgeführt wurden.


Fazit

Als Strafverteidiger aus Hannover verfolge ich aufmerksam Fälle, die öffentliche Diskussionen auslösen. Der Fall, in dem ein Meme, das Robert Habeck als „Schwachkopf“ bezeichnete, zu einer Hausdurchsuchung führte, wirft Fragen zur Verhältnismäßigkeit auf, welche sich eventuell noch in den nächsten Wochen klären werden. 

Bei ähnlichen Vorwürfen stehe ich Ihnen als erfahrener Strafverteidiger gerne zur Seite. Kontaktieren Sie mich für eine rechtliche Beratung in meiner Kanzlei in Hannover.





Bild: Adobe Stock - Manuel Schönfeld - 108755266

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