Stellen Sie sich vor, die Polizei steht vor Ihrer Tür, durchsucht Ihre Wohnung und fordert Sie auf, Ihr Handy zu entsperren. Sie verweigern dies – doch plötzlich wird Ihr Finger gewaltsam auf den Sensor des Geräts gelegt. Was passiert hier rechtlich? Ist diese Maßnahme zulässig? Ein aktuelles Urteil des OLG Bremen sorgt für Aufsehen und wirft wichtige Fragen auf, die jeder Beschuldigte kennen sollte. In diesem Beitrag erläutern wir, was Sie in dieser brenzligen Situation tun sollten und was die Polizei wirklich darf – und was nicht. In diesem Beitrag möchte ich als Strafverteidiger aus Hannover das Thema näher beleuchten und Ihnen aufzeigen, wie Sie sich in einer solchen Situation rechtlich richtig verhalten können.
Darf die Polizei mein Handy entsperren?
Rechtlich gesehen ist die Frage, ob die Polizei ein Mobiltelefon eines Beschuldigten zwangsweise entsperren darf, eine heikle und umstrittene Angelegenheit. Laut § 81b Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) dürfen Polizeibeamte erkennungsdienstliche Maßnahmen wie das Aufnehmen von Lichtbildern und Fingerabdrücken auch gegen den Willen des Beschuldigten durchführen, wenn dies für das Strafverfahren erforderlich ist. Diese Bestimmung wurde in der Vergangenheit mehrfach angewendet, um die Erhebung von Fingerabdrücken zu legitimieren – aber gilt das auch für das Entsperren von Handys?
In der Entscheidung des OLG Bremen wurde diese Frage nun eindeutig bejaht. Das Gericht stützte sich auf den Paragraphen 81b Abs. 1 StPO, der ausdrücklich auch die „Vornahme einer ähnlichen Maßnahme“ gestattet, um ein Ermittlungsverfahren voranzutreiben. Die zwangsweise Entsperrung eines Handys mittels Fingerabdrucksensor wurde dabei als solche „ähnliche Maßnahme“ anerkannt. Der Grund dafür: Bei der Fingerabdruckerhebung handelt es sich um eine einmalige Handlung ohne langfristige Speicherung der Daten. Es wird also nicht dauerhaft in die Privatsphäre des Beschuldigten eingegriffen, was das OLG Bremen als vertretbar ansah, insbesondere im Hinblick auf die Schwere des Verdachts, etwa bei schweren Straftaten wie der Verbreitung kinderpornografischer Schriften.
Das OLG betonte zudem, dass die Zwangsmaßnahme in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung des Beschuldigten eingreift, jedoch in diesem Fall von geringer Eingriffsintensität ist. Das Gericht erkannte den Eingriff als verhältnismäßig an, da er im Vergleich zu anderen Maßnahmen, wie etwa der Sicherstellung des Handys und einer späteren Untersuchung durch Gutachter, als die mildeste Option erschien.

Muss ich der Polizei den PIN geben?
Eine PIN muss nicht herausgegeben werden! Ein Entsperrmuster muss nicht gezeichnet werden! Tun Sie das deshalb auch niemals! Es ist wichtig, dass Sie sich Ihres Rechts auf die verfassungsrechtlich garantierte Selbstbelastungsfreiheit bewusst sind. Das bedeutet, dass Sie sich nicht selbst belasten müssen, und es schützt Sie davor, ungewollt gegen sich selbst Beweise zu liefern.
Tipp: Wenn Sie beispielsweise bei einem iPhone den Ausschalt-Button drücken, bis die Option „Ausschalten“ erscheint und dann auf „Abbrechen“ gehen, wird beim nächsten Öffnen des Geräts zwingend die PIN verlangt. Dadurch können Sie vermeiden, dass die Polizei Ihr Handy mit dem Fingerabdruckscanner entsperrt, da dieser in diesem Fall nicht mehr verwendet werden kann. Man kann Sie nicht dazu zwingen, das Handy vor Ihr Gesicht zu halten, um es durch die Gesichtserkennung zu entsperren. Das ist Ihr gutes Recht!
Wie verhalte ich mich nun?
Zunächst ist es ratsam, vollständig auf den Fingerabdrucksensor zu verzichten und stattdessen die manuelle Eingabe der PIN oder des Entsperrmusters zu verwenden. Geben Sie der Polizei in keinem Fall Ihre PIN-Nummer heraus. Sie sind nicht gesetzlich verpflichtet, dies zu tun, und Sie erleiden durch die Weigerung auch keine rechtlichen Nachteile. Die Herausgabe der PIN bringt jedoch keinerlei Vorteile für Sie, sondern könnte dazu führen, dass Sie sich selbst belasten. Ob es später sinnvoll ist, den PIN freiwillig herauszugeben, besprechen Sie am besten mit uns als Ihren Strafverteidigern. Die Polizei wird Ihnen in dieser Situation vermutlich etwas anderes sagen – aber das ist nicht korrekt!
Fazit:
Darf die Polizei Ihr Handy zwangsweise entsperren? Als Strafverteidiger aus Hannover kann ich Ihnen versichern, dass die rechtliche Situation in diesem Bereich nach dem Urteil des OLG Bremen klarer geworden ist. Ja, die Polizei darf ein Mobiltelefon unter bestimmten Umständen zwangsweise entsperren – insbesondere, wenn es um schwere Straftaten wie die Verbreitung von Kinderpornografie geht. Grundlage hierfür ist § 81b Abs. 1 StPO, der erkennungsdienstliche Maßnahmen auch gegen den Willen des Beschuldigten erlaubt, wenn sie für die Aufklärung des Verfahrens erforderlich sind.
Jedoch gilt: Sie sind keinesfalls verpflichtet, der Polizei Ihre PIN oder Ihr Entsperrmuster zu geben! Es ist Ihr verfassungsrechtliches Recht, sich nicht selbst zu belasten. Daher sollten Sie niemals Ihre PIN preisgeben oder ein Entsperrmuster zeichnen. Das könnte Ihnen später schaden und Sie ungewollt belasten. In solchen Fällen rate ich Ihnen, auf den Fingerabdrucksensor zu verzichten und gegebenenfalls die PIN manuell einzugeben. Sollte es zu rechtlichen Fragen kommen, steht Ihnen als Strafverteidiger aus Hannover selbstverständlich jederzeit zur Seite, um Ihre Rechte bestmöglich zu schützen.
Bild: AdobeStock - 1000631674