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  • Dogukan Isik

Jugendkriminalität – Ist die Jugend von heute brutaler geworden?

„Wenn die in diesem Alter schon kriminell sind, was kann dann aus denen später noch werden?“, „Die gehören doch alle eingesperrt!“ – Aussagen wie diese bekommen wir fast täglich mit, egal ob in den Medien, der Politik oder durch unsere lieben Mitmenschen. Dabei legen sie uns vor allem eine Wahrnehmung nahe: Die Jugend von heute wird immer gefährlicher.

Doch stimmt diese auch mit der Realität wirklich überein? Ist das weit verbreitete Gefühl der Bedrohung durch die Jugendlichen berechtigt? Diese und weitere Fragen rund um das Thema der Jugendkriminalität beantworte ich als Fachanwalt für Strafrecht in Hannover in diesem Faktencheck.


Wie kriminell sind Jugendliche?

Allgemein kann man sagen, dass die Jugendkriminalität ein zwar weit verbreitetes, aber doch besonderes Phänomen darstellt. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass Jugendliche statistisch betrachtet strafrechtlich tatsächlich auffälliger sind als Erwachsene. Gründe hierfür liegen laut Kriminologen in der aufregenden Lebensphase: So lassen die für das Alter typische Risikobereitschaft, eine konsequente Identitätssuche, aber auch Unsicherheiten und eine einfachere Beeinflussbarkeit Jugendliche im Hinblick auf die Kriminalitätsbelastung „aktiver“ erscheinen.

Hieraus können bereits einige besondere Merkmale der Jugendkriminalität abgeleitet werden. So ist die Jugendkriminalität in erster Linie von einer gewissen Normalität geprägt. Damit ist gemeint, dass es im statistischen Sinne „normal“ ist, als Jugendlicher im Laufe seines Reifeprozesses früher oder später mal straffällig zu werden. Weil sich diese Beobachtung durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht, sprechen die Kriminologen insoweit auch von der „Ubiquität“ der Jugendkriminalität. Sie ist also überall verbreitet – jeder Jugendliche wird beim Aufbau einer eigenen Identität mit psychischen und sozialen Spannungen und Konflikten konfrontiert, welche es zwangsläufig nahelegen, dass von diesem die gesellschaftlichen Grenzen nicht immer beachtet werden. Diese Verhaltensweisen münden dann in einem objektiven Rechtsbruch – und stellt damit letztlich das dar, was wir „Jugendkriminalität“ nennen.

Ein weiteres Kennzeichen der Jugendkriminalität ist ihre Episodenhaftigkeit. Mit zunehmendem Alter werden von den meisten Jugendlichen keine weiteren Taten mehr begangen – und dies unabhängig davon, ob die strafrechtlichen Instanzen zum Einsatz kamen oder nicht. Daher ist Jugendkriminalität in den meisten Fällen auch eine lediglich vorübergehende Erscheinung, die sich in der Regel nicht in dramatischer Erwachsenenkriminalität fortsetzt und nur in Ausnahmefällen den Anfang einer kriminellen Laufbahn bildet.

Schließlich ist noch auffällig, dass vorwiegend männliche Jugendliche straffällig werden und dies in vielen Fällen in Gruppen geschieht. Hierbei dominieren Delikte wie Diebstahl, Sachbeschädigung und Betäubungsmitteldelikte.


Sind die Statistiken zuverlässig?

Vergehen, die gar nicht angezeigt und registriert werden, das sogenannte Dunkelfeld, stellen grundsätzlich ein Problem von Kriminalstatistiken dar. Aufschluss über die „wirkliche“ Struktur der Jugendkriminalität liefert daher die Dunkelfeldforschung. Diese erfolgt hauptsächlich durch empirische Untersuchungen.

Wichtige Informationsquelle für die Aufhellung des Dunkelfelds im Hinblick auf die Jugendkriminalität sind hierbei beispielsweise die KFN-Schülerbefragungen. Hierbei handelt es sich um schriftlich standardisierte Befragung von Schülerinnen und Schülern in den Klassenräumen während der Unterrichtszeit in Niedersachsen.


Aus diesen konnten – wie aus vielen anderen Schülerbefragungen – aus empirisch-kriminologischer Sicht folgende Feststellungen getroffen werden, welche die oben genannten Besonderheiten der Jugendkriminalität untermauern: So bestätigt auch (bzw. gerade das Dunkelfeld), dass es normal ist, dass ein Jugendlicher im Verlauf seiner Entwicklung eine oder mehrere Straftaten begeht. Dabei ist die Begehung vieler und schwerer Taten ein zunehmend seltener werdendes Ereignis, so dass die Jugenddelinquenz eine vorübergehende Erscheinung darstellt, die sich nicht zu einer „kriminellen Karriere“ fortentwickelt.


Sind Jugendliche mit Migrationshintergrund gewalttätiger?

Zwar zeigen die Dunkelfeldforschungen auch, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger mit Straftaten in Erscheinung treten als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Hierbei stehen aber meist Schwierigkeiten im Hintergrund der Straffälligkeit, die sich aus einer besonderen Lebenslage heraus ergeben. Bestehende Sprachbarrieren, Erfahrungen mit Gewalt, Probleme mit der Integration und die Begegnungen mit alltäglichem Rassismus sind einige der vielen Ursachen, weshalb Jugendliche mit Migrationshintergrund meist stärker belastet sind als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Zudem unterliegen Jugendliche ohne Migrationshintergrund einem höheren Kontrolldruck. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit bei dieser Gruppe an Jugendlichen höher ist, aufgrund eines strafbaren Verhaltens angezeigt zu werden. Daraus folgt, dass Kriminalität – auch bei Jugendlichen – keine Frage des Reisepasses oder der ethnischen Herkunft, sondern eine Frage von Lebenssituationen ist.


Welche kriminalpolitischen Schlussfolgerungen können gezogen werden?

Die aus der Hell- sowie Dunkelfeldforschung gewonnenen Befunde zur Jugendkriminalität zeigen damit, dass die Begehung von Straftaten bei Jugendlichen nicht überbewertet und dramatisiert werden darf. So handelt es sich in den meisten Fällen nämlich um Bagatelldelikte, auf die mit Nachsicht und Toleranz reagiert werden sollte.


Fazit

Die Strafrechtspflege steht bei jugendlichen Straftätern vor einer schwierigen Aufgabe. So muss diese zunächst erkennen, welche Bedeutung die Tat eines Jugendlichen für seine Entwicklung hat, um sodann eine passende Reaktion zu treffen, um den Jugendlichen bestmöglich in die Gesellschaft wiedereingliedern zu können.

Die oben genannten Aussagen „Wenn die in diesem Alter schon kriminell sind, was wird kann dann aus denen später noch werden?“ und „Die gehören doch alle eingesperrt!“ sind insofern nicht nur maßlose Übertreibungen, sondern werden vor allem dem Wesen und den Ursachen der Jugendkriminalität nicht gerecht.

Falls Sie weitere Fragen haben oder als Jugendlicher mit dem Verdacht einer Straftat konfrontiert werden, empfiehlt sich stets die Heranziehung eines fachkundigen Rechtsanwalts, der sich mit den speziellen Besonderheiten des Jugendstrafrechts auskennt. Auf diese Weise besteht die beste Chance auf eine effektive Strafverteidigung!

Als Fachanwalt für Strafrecht in Hannover verteidige ich regelmäßig Jugendliche und beantworte gerne Ihre Fragen rund um das Jugendstrafrecht. Hierfür biete ich Ihnen ein erstes, kostenloses Informationsgespräch an. Meine Erfahrungen im Strafrecht ermöglichen eine qualitativ hochwertige Mandatsbearbeitung und eine schnelle und effektive Durchsetzung Ihrer Ansprüche und Interessen.




Foto: #89705714– stock.adobe.com

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