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Jugendstrafrecht – Strafmündigkeit schon ab 12?

Aktualisiert: 25. Apr. 2023

Immer wieder führen spektakuläre Straftaten von Kindern zu Forderungen nach einer Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. Als dramatische Beispiele können hierfür die stundenlange Misshandlung einer 83-jährigen Rentnerin in München von zwei 13-Jährigen oder die mutmaßliche Vergewaltigung einer jungen Frau von Kindern unter 14 in Mülheim genannt werden.

Warum die Senkung der Altersgrenze für die Strafmündigkeit dennoch nicht richtig wäre, beantworte ich als Fachanwalt für Strafrecht in Hannover in dieser Stellungnahme.


Was bedeutet Strafmündigkeit?

Ist von der Strafmündigkeit eines Menschen die Rede, so geht es darum, ab welchem Alter ihm zugetraut wird, die Folgen seiner Handlungen so zu überblicken, dass er für diese auch Verantwortung übernehmen muss. Dabei kennen weder das Strafgesetzbuch (StGB) selbst, noch das Jugendgerichtsgesetz (JGG) den Begriff der Strafmündigkeit. Stattdessen wird im StGB von der Schuldunfähigkeit des Kindes ausgegangen, das JGG spricht von strafrechtlicher Verantwortlichkeit von Jugendlichen. Im § 19 StGB ist geregelt, dass derjenige schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist. Wer also eine Straftat begeht und das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht hat, handelt ohne Schuld, was nichts anderes als Straffreiheit zur Folge hat.


Absenkung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre?

In politischen Diskussionen, wie denen die unmittelbar nach Bekanntwerden der eingangs genannter Vorfälle geführt worden sind, wird daher häufig die Absenkung der strafrechtlich relevanten Altersgrenze von 14 auf 12 Jahre gefordert.

So verwies beispielsweise die Deutsche Polizeigewerkschaft unter ihrem Vorsitzenden Rainer Wendt darauf, dass sich auf diese Weise eine bessere Einwirkungsmöglichkeit auf strafrechtlich auffällige Kinder ergebe. So habe nur der Jugendrichter die Möglichkeit, beispielsweise die Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining anzuordnen oder Arbeits- oder Sozialstunden zu verhängen. Auch könne er dem Kind auf diese Weise auferlegen, sich beim Opfer zu entschuldigen. Diese Reaktionsmöglichkeiten seien auch für 12-Jährige unter Umständen geeignete Maßnahmen, einen jungen Menschen zu einem straffreien Leben zu erziehen.

Derartigen Überlegungen kann ich mich als Fachanwalt für Strafrecht in Hannover nicht anschließen.

Zum einen gilt nämlich auch für Kinder und Jugendliche das Schuldprinzip, welches Verfassungsrang genießt. Eine Herabsenkung der strafrechtlich relevanten Altersgrenze von 14 auf 12 Jahre hätte zur Konsequenz, dass auch gegenüber 12- und 13-Jährigen strafrechtliche Eingriffe nur dann zulässig wären, wenn bei diesen die notwendige strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 3 S. 1 JGG festgestellt werden würde. Danach wäre ein 12- und 13-Jähriger erst strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug wäre, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das genau diese Voraussetzung bei kriminalpolitisch auffälligen Kindern gegeben wäre, ist äußerst zweifelhaft.

Zum anderen folgt aus empirisch-kriminologischen Untersuchungen zur Jugendkriminalität, dass es einen „normalen“ Umstand darstellt, wenn Jugendliche im Laufe ihres Reifeprozesses früher oder später mal straffällig werden. Jeder Jugendliche wird beim Aufbau einer eigenen Identität mit psychischen und sozialen Spannungen und Konflikten konfrontiert, welche es zwangsläufig nahelegen, dass von diesem die gesellschaftlichen Grenzen nicht immer beachtet werden. Würde man nun die strafrechtliche Kontrolle auf 12- und 13-Jährige Kinder ausdehnen, so bestünde die Gefahr, dass durch die Anwendung jugendstrafrechtlicher Sanktionen mehr Fehlentscheidungen getroffen werden, als hierdurch möglicherweise spezialpräventive Erfolge erzielt werden würden.

Darüber hinaus besteht nach den §§ 42 ff. des SGB VIII – auch Kinder- und Jugendhilfegesetz genannt – die Möglichkeit, gegenüber kriminell in Erscheinung tretenden Kindern eine zeitweilige Inobhutnahme oder eine Heimerziehung anzuordnen. Inwiefern also eine Gesetzesänderung notwendig erscheint, ist nicht ersichtlich.

Schließlich ist auch noch zu berücksichtigen, dass die Kinderkriminalität in Deutschland entgegen der allgemeinen Wahrnehmung immer mehr zurückgeht. Dieser Trend legt insbesondere nahe, dass kriminelle Kinder vor allem Zuwendung und Erziehung benötigen, was sich nicht zuletzt an der Tatsache erkennbar wird, dass der überwiegende Großteil der betroffenen Kinder selbst Opfer von Gewalt geworden oder bereits im familiären Umfeld mit Drogen oder Alkohol in Berührung gekommen ist.

Würden also durch die Verschärfung des (Jugend-)Strafrechts diese Kinder in eine – außerdem für die Unterbringung von Kindern strukturell ungeeignete – Haftanstalt gesteckt, so bestünde die Gefahr, nicht etwa einen spezialpräventiven Erfolg zu erzielen, sondern im Gegenteil einen jungen Menschen zu einem vermasselten Leben zu verurteilen.


Fazit

Das Jugendstrafrecht, wie wir es heute kennen, wird schon seit über einem Jahrhundert von dem Erziehungsgedanken dominiert, das im 19. Jahrhundert durch den Strafjuristen Franz von Liszt geprägt wurde. So stehen bis heute nicht etwa Repression und Vergeltung im Vordergrund der Bestrafung Jugendlicher, sondern vielmehr deren Erziehung zum Besseren.

Diese Ausgestaltung des Jugendstrafrechts hat sich bis dato bewährt: Deutschlandweit kann ein kontinuierlicher Rückgang der Kriminalitätsrate von Jugendlichen verzeichnet werden. Und gerade dieser Erfolg sollte nicht durch kurzfristige aktuelle Geschehnisse, mögen diese noch so bedauerlich und furchtbar sein, infrage gestellt werden.

Falls Sie weitere Fragen haben oder als Jugendlicher mit dem Verdacht einer Straftat konfrontiert werden, empfiehlt sich stets die Heranziehung eines fachkundigen Rechtsanwalts, der sich mit den speziellen Besonderheiten des Jugendstrafrechts auskennt. Auf diese Weise besteht die beste Chance auf eine effektive Strafverteidigung!

Als Fachanwalt für Strafrecht in Hannover verteidige ich regelmäßig Jugendliche und beantworte gerne Ihre Fragen rund um das Jugendstrafrecht. Hierfür biete ich Ihnen ein erstes, kostenloses Informationsgespräch an. Bei einer Beauftragung beantrage ich für Sie umgehend Akteneinsicht und bespreche mit Ihnen die weitere Verteidigungsstrategie. Als Rechtsanwalt in Hannover für Strafrecht liegt mir dabei eine effektive und konsequente Verteidigung am Herzen.


Foto: #362382300– stock.adobe.com

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